Torpus & The Art Directors, We Brought A Penguin
TORPUS
Die Nordsee kann man riechen. Der Blick aus dem Fenster wandert über weite Felder. Hier inmitten der Abgeschiedenheit, unweit der Dänischen Grenze, findet sich das Klassenzimmer einer ehemaligen Grundschule. Es ist der Aufnahmeraum eines alten Freundes von TORPUS & THE ART DIRECTORS, ein Refugium, das sie früher schon genutzt hatten. Nur hat dieser Ort eine besondere Atmosphäre bekommen, seit der Freund verstorben ist und der Klassenraum mit den musealen Instrumenten zu seinem Vermächtnis geworden ist. Nils Koppruch & Gisbert zu Knyphausen haben diese Lokalität genutzt, ebenso Kevin „Clickclickdecker“ Hamann. Musiker scheinen diese Schule zu mögen.
„Pack alles ein an Technik, was du schleppen kannst“, haben TORPUS & THE ART DIRECTORS ihrem Produzenten und Freund Simon Frontzek nach Berlin gekabelt und ihn nach Nordfriesland gelotst, damit er abermals ein neues Album mit der Band aufnehmen kann. Nach den Kilians, Spaceman Spiff, Erik Penny und Talking To Turtles musste der ehemalige Tomte-Pianist und Madsen-Mixer, auch bekannt als Sir Simon Battle, jetzt wieder ran an die Knöpfe.
In drei Wochen haben Frau Apelmo und die vier Jungs aus North Frisia, nach langer Vorbereitungszeit und einer kleinen Schweden-Tour, in einer ehemaligen Grundschule in ihrer nordischen Heimat das neue Album „The Dawn Chorus“ eingezimmert. Das die Produktion Zeit und Luft zu Atmen hatte, hört man dem Album an. Es strahlt Ruhe aus und umfasst 13 entspannt aufwühlende, neue Songs. The Torpedos are back!
Tatsächlich war die Stadt, wir sprechen von Hamburg, die wichtigste Inspirationsquelle beim Schreiben der Texte, wie Sönke Torpus betont: „Ich brauche die Stadt als Inspiration, das habe ich im vergangenen Jahr über mich selbst gelernt.“ Der Spannungsbogen zwischen Natur und Niemandsland auf der einen Seite, dem urbanen Leben und die in Altona, Schanze und St.Pauli zu beobachtenden Menschen auf der anderen Seite, hat die Songs des neuen Albums geprägt. Der Dawn Song erzählt von der Stadt, die Singleauskoppelung In Hushed Tones von der Sehnsucht nach dem Ausbruch, Water von dem Gegenpol, der verstorbenen Großmutter, die immer nur die Meeresnähe kannte. Bis auf eine Ausnahme stammen die Songs aus der Feder von Sönke Torpus. Mit Two Hearts hat Melf Petersen noch einen oben drauf gesetzt und seinem North Frisia eine große Hommage, beziehungsweise eine kleine Hymne geschrieben (Geheimtipp zum Anhören).
Zusätzlich skandinavischen Flair bringt die Schwedin Jenny Apelmo in das Bandgefüge mit ein, hat sich festgespielt bei den nordfriesischen Jungs und schleppt immer noch ihren riesigen Kontrabass durchs Land. Denn erst nach der letzten Platte ist die Band richtig zusammengewachsen, hat gemeinsam viel an den Songs gefeilt. „Beim Vorgänger war es eher so: der Singer/Songwriter kommt ins Studio und die Band spielt was dazu. Jetzt ist der musikalische Einfluss der ganzen Band viel größer, das ist viel mehr eine Band-Platte geworden. Wir haben im Vorfeld mehr ausprobiert und viel mehr Lust gehabt, wie eine Band zu klingen“, erklärt Torpus.
TORPUS & THE ART DIRECTORS haben ganz bewusst weniger als die dreißig Instrumente des Vorgängers benutzt. „Damit es knackiger wird, weil wir es kompakter haben wollten“, betont Sönke, „Die letzte Platte war noch ein Suchen. The Dawn Chorus ist, was wir gefunden haben – eine kompakte Geschichte, die rund ist und zusammenpasst.“
Unverzichtbar wird natürlich die Live-Präsentation des neuen Albums. Das sollte man auf keinen Fall verpassen, denn on Stage kommt der Northern-Country-Folk von TORPUS & THE ART DIRECTORS noch eine Spur freier und losgelöster rüber. „Ich bin der Meinung, dass wir es gut geschafft haben, die Energie, die wir live haben, einzufangen. Das ist uns mehr als auf jeder anderen Platte gelungen“, lacht Sönke und verspricht mit dem neuen Album wieder auf Tour zu gehen. Denn es ist nicht wegzudiskutieren, dass diese Band auf Konzertbühnen stehen muss. Weil sie dort ihre befreiende Furchtlosigkeit in ihrer mitreissenden Art heraussingen (um nicht „-brüllen“ zu sagen) kann.
Freuen wir uns jetzt schon auf die Begeisterung, die diese Combo live von der Bühne herunter ballert. Überbrücken wir die Zeit bis dahin mit dem Genießen der Songs von The Dawn Chorus. Auswendiglernen wäre die andere Möglichkeit.
Hilmar Bender für Torpus & The Art Directors, Januar 2015
Support: We Brought A Penguin
Minimalismus in der Musik ist eine schöne Sache. Allerdings merkt man ohne viele ablenkende Instrumente und Lautstärke auch meist gleich, wo Talent liegt und wo nicht. WE BROUGHT A PENGUIN aus Nürnberg scheuen sich nicht, fast nackt, nur mit Doppelgitarre bekleidet, auf die Bühne zu klettern und zu zeigen, was sie können. Mit voller, tragender Stimme und gewieftem Songwriting bringen die Pinguine eine geballte Ladung Indie-Charme auf die Bühne, irgendwo zwischen Adam Green und [insert random indie band]. Das Erfrischende ist, dass sie sich selbst nicht zu ernst nehmen. WE BROUGHT A PENGUIN, vormals The Schnauzörs, haben es sich zum Beispiel angewöhnt, dem augen-zwinkernden Lo-Fi-Faktor ihrer Musik durch den Einsatz einer Melodica (!) den letzten Feinschliff zu geben. Und das ist zuckersüß, beinahe Anti-Folk. Wer auf gute Songs zum Schwelgen und zum Schmunzeln, runtergebrochen auf das nötigste, steht, dem seien diese Möchtegern-Zoowärter mit Verneigung ans Herz gelegt. Ob sie wirklich einen Pinguin mitbringen, überprüft man am allerbesten selbst, auf den mittlerweile zahlreichen Konzerten. (Jan Bratenstein)