Shiny Gnomes

Shiny Gnomes

Mit dabei: Sutcliffe

SHINY GNOMES Nach zwei Jahren Verzögerung haben die Shiny Gnomes es endlich geschafft: Das zwölfte Studioalbum des Quartetts ist aufgenommen, abgemischt und wartet auf seine Veröffentlichung. Nicht weniger als fünf Anläufe haben die Musiker Limo, Gazi, Andreas Rösel und der seit 2019 an den Drums sitzende Lars Worch in den Zeiten der Pandemie dazu gebraucht. Entstanden ist ein Werk, das mit Sicherheit zum Besten gehört, was die Gnomes seit ihrer Gründung im Jahr 1985 veröffentlicht haben. Die Band war selbst überrascht von dem, was nach fünf Studiotagen Anfang November 2021 aus den Boxen kam: Dieses Album hat etwas ganz Besonderes und ist wirklich „anders“ – eben Otherness.

Die neun Songs sind mit einer Opulenz und Vielschichtigkeit produziert, die das psychedelische Füllhorn überlaufen lässt. Kongenial aufgenommen, gemischt und gemastert von Frank Mollena (Missouri, Bambi Davidson), lässt der Sound nichts zu wünschen übrig: Von filigran-verspielt über meditativ-ambient bis wild und außer Rand und Band. Nur an wenigen Punkten der mittlerweile siebenunddreißigjährigen Gnomes- History finden sich derartig abwechslungsreiche Sound-Scapes. Auf der Basis von fetten Drums & Percussions und treibenden Bässen schieben symphonische Synthesizer und flirrende Orgeln, sanfte Mellotrone und hämmernde Pianos gewaltige Soundwände vor sich her. Feedback-Gitarren changieren mit elektrischer Sitar und akustischen Gitarren und mittendrin fliegen und fordern, beschwören und tagträumen Limos Vocals. Das epische Pearly eröffnet ein Album, das viele Facetten vereint – Shoegaze, Krautrock-Trance, PopCore, spacige Balladen – und über allem liegt der alles verbindende magische Klang-Schleier, mal leicht, mal schwer, doch stets bunt und kontrastreich in seiner Otherness. Bei Is It That und The Best Place lassen der Gesang von Doris Völkl, Stefanie Nerreter und Sabine Matheisl eine euphorische Gospel-Stimmung aufkommen, die es so bei den Shiny Gnomes noch nicht gegeben hat. Neu sind auch Wave-Songs wie Flashing Clockwise und Go On Then, die dann aber überraschend in exotische Far-Eastern-Sounds oder mächtiges Prog-Gebolze umschlagen. Geschmückt mit dem wundersamen Cover-Gemälde von Emma Hartmann ist dieses zwölfte Shiny Gnomes-Album ein Fest!

SUTCLIFFE Das Publikum in der kleinen Veranstaltungshalle steht dicht an dicht gedrängt. Das Licht im Saal wird gedimmt. Gespräche stellen sich ein, die Geräuschkulisse wird immer leiser – bis es ganz still wird. Blicke voller Erwartung gehen zur Bühne – ein Knistern liegt in der Luft… Die große Leinwand hinter der Bühne geht an und taucht den Saal in pinkfarbenes Licht. Sie zeigt einen Sonnenaufgang über dem Meer – und davor: Die Silhouetten von fünf Menschen. Regungslos stehen sie da, in den Händen die Umrisse von Instrumenten. Die Menge hält die Luft an – und die Band beginnt zu spielen. Sanfte Töne, die Wellen des Videos auf der Leinwand in musikalischer Form.

Doch dann setzt der Bass ein und die Dynamik ändert sich. Rhythmischer, schneller, energischer. Klänge, die Kopfkino auslösen. Und simultan verändern sich auch die Bilder im Video; ein Astronaut fliegt durch das Bild, Zeichentrickfiguren tauchen auf und verschwinden wieder und werden zum Sternenhimmel.

Sutcliffe in ein Genre einzuordnen, ist gar nicht so einfach. Müsste man sich festlegen, wäre das wahrscheinlich irgendwo zwischen Americana und Avantgarde. Der Sound der Instrumental-Band aus Mittelfranken hat etwas ganz Eigenes, das sich schwer in Worte fassen lässt. Er lebt von Höhen und Tiefen. Von der Unberechenbarkeit der nächsten Töne. Von Euphorie und Melancholie.

Die Leinwand zeigt jetzt die Gesichter von Menschen, mit verschiedenen Hautfarben, Altersgruppen, Geschlechtern. „We are the people“ dröhnt es aus den Lautsprechern. Der Klang des Kontrabasses trifft auf den des Akkordeons und macht die Atmosphäre komplett. Bewegung geht durch den Zuschauerraum. Wo anfangs nur ein bisschen Kopfnicken war, steht jetzt kein Bein mehr still. Symbiotisch bewegt sich das Publikum, viele haben die Augen geschlossen, vertieft in die Musik. Nur verbunden durch die Klangwelt, die aus den Lautsprechern tönt.

Und als der letzte Ton verhallt, bleibt die Menge atemlos zurück. Kurze Stille, einmaldurchatmen. Und dann: Tosender Applaus. Gefolgt von „Zugabe!“ – die es dann natürlich auch gibt.