Rhonda
Ach, was waren das schöne Zeiten damals: Star Club und Indra in Hamburg, der Cavern in Liverpool, lässige Beat-Musik allerorten. Die einen hörten die amerikanischen Soul-Vorkämpfer Marvin Gaye und Curtis Mayfield, die anderen groovten zu den ersten großen Beat-Bands aus England. Gemeinsam traf man sich in Kellerclubs und lebte den Moment. Alle trugen schlaksige Tuchhosen, coole Pluder-Hemden, freche Frisuren und spitze Lederstiefel. Das Gefühl einer ganzen Generation spiegelte sich in dieser neuen Musik, in der Rock’n’Roll, Soul und lässige Rhythmen auf klirrende Eck-Eck-Gitarren und brodelnde Orgeln trafen. Vorbei die Zeit? Von wegen! Mehr denn ja kehrt sie zurück – und wo sollte sie wohl wiederbelebt werden, wenn nicht in Hamburg!
Das Quintett Rhonda gründete sich zwar erst im Mai 2012, doch schon jetzt zeichnet sich ihr beachtlicher Aufstieg in einer Weise ab, der insbesondere deutschen Bands nur selten zuteil wird. Alle fünf Musiker – Milo Milone (Vocals), Ben Schadow (Gitarre), Jan Fabricius (Bass), Offer Stock (Orgel) und Gunnar Riedel (Drums) – sind keine Greenhorns und spielten zuvor bereits in recht bekannten Indie-Bands wie den Trashmonkeys und anderen. Doch erst mit Rhonda finden sie nun ihre wahre Bestimmung: Ein frischer, Retro-orientierter, deshalb aber keineswegs angestaubter Vintage-Sound zwischen Dusty Springfield und Amy Winehouse, den Ronettes und Duffy, den Detroit Cobras und Adele, mit Melodien zum Verlieben und einer lächelnden Lässigkeit, die Menschen unmittelbar tanzen lässt. Und das schon jetzt europaweit.
Gerade eine einzige 7-Inch-Single hatten Rhonda veröffentlicht, da kamen die ersten Tournee-Anfragen aus dem Northern Soul-verliebten Vereinigten Königreich. Rhonda spielten zwei Club- Touren auf der Insel, gaben Gastspiele auf zahlreichen Open Airs wie dem Int. Pop Overthrow Festival und dem Great Escape Festival – und fanden mit jedem Konzert neue Freunde. Teils auch prominente: So nahmen die Hamburger Postpunker Turbostaat die junge Band mit auf Tour, sie spielten zahlreiche Konzerte mit Lucius und wurden nun kürzlich vom Mod-Vater himself, Paul Weller, zu dessen anstehenden deutschen Sommer-Konzerten eingeladen. Viel Ehre für eine Band, die gerade erst in den Startlöchern steht.
Rund um all diese Konzerte finanzierten sie, nachdem sie die Debüt-Single auf Shows restlos ausverkauft hatten, eine zweite Single via Crowdfunding und verschenkten an die Unterstützer so hübsche Gadgets wie von Milo selbstgebackenen Apfelkuchen oder signierte Vintage-Plattenspieler. Auch diese zweite Single zeigte, wohin die Reise geht: Eine Revitalisierung der 60s-Lässigkeit in Songwriting, Produktion und Feeling, bei der jeder Song ein echter Hit ist und unglaublich souverän auf den Punkt kommt. Anfang dieses Jahres gingen sie sodann mit dem Produzenten Gregor Hennig ins legendäre Studio Nord in Bremen, wo die elf Songs des Debütalbums entstanden. Mit grandiosem Gespür für die Klangästhetik der 60er, behutsam modernisiert und in die Jetztzeit getragen, schubbern die Songs mit einer Nonchalance und Brillanz aus den Boxen, das Herz, Kopf und Becken gleichzeitig zu wippen, nicken und lieben beginnen.
Man höre nur die erste Single „Camera“, ein unaufdringlich dringlicher Song, der an reduzierte Film Noir-Zitate ebenso erinnert wie an Petticoats und Schmalztollen. Spätestens im dezent melancholisch angehauchten Refrain ist es dann um jeden geschehen: So schön sehnte kein Soulsong mehr, seit Adele ihr Debütalbum aufnahm. Und so geht es weiter auf dem Album: „Sound of Soda“ stürmt und drückt mit breit angelegten Orgeln und funky Drums nach vorne wie ein frisch geschlüpfter Hundewelpe; das Funk-Biest „Take It Back“ mit seinen rollenden Grooves und dem sofort zündenden Refrain versetzt einen unmittelbar in ein kalifornisches Sommer-Feeling und brennt einem das Lächeln ins Gesicht; „Bruno“ überrascht mit ungehörig pfiffiger Ska-Rhythmik und saucoolem zweistimmigem Gesang; „Here We Go Again“ nähert sich dem rasanten Rock’n’Soul an, dass man einfach nur noch dazu hüpfen möchte; „That’s How I Roll“ ist eine brillante Soul-Ballade alter Schule, auf die die Supremes mächtig stolz gewesen wären. Kurz: Jeder einzelne Song ist ein Brecher voller Lebensfreude und künstlerischer Kraft, der den Vibe der Sixties lebt und diesen in die Postmoderne transportiert. Wenn im Juli das Album erscheint, dürfte es damit nicht mehr allzu weit sein zur absoluten Sommer- Sensation. Be prepared!