Jenny Wilson

Jenny Wilson

Quelle: Spex.de. LINK

In Pop gegossener Zorn: Jenny Wilsons Aufschrei-Album Demand The Impossible! erscheint am kommenden Freitag. Zu hören gibt’s die komplette LP der Schwedin schon jetzt – exklusiv auf spex.de

Schweden, wir haben es oft genug gehört: Du hast es wirklich besser! Wo sonst gibt es Musikerinnen, die nicht nur ebenso selbstverständlich ihre Talente wie auch ihre feministische Attitüde präsentieren – und denen dann auch noch eine einflussreiche feministische Partei zur Wahl steht, in deren Dienst sie sich stellen können? Künstlerinnen von internationalem Format wie Robyn, Nina Persson oder The Knifes Karin Dreijer haben eben diese Feministiskt initiativ unterstützt (die, wir wollen es an dieser Stelle nicht unterschlagen, auch für ihre binären gender politics kritisiert wurde). Und natürlich auch Jenny Wilson, die stolz ist auf die schwedische Tradition von Frauen, die ihre Stimme erheben für mehr Gerechtigkeit.

In diese Tradition gehört die knapp 40-jährige Wilson, die seit 2005 als Solokünstlerin aktiv ist, natürlich auch selbst. Nach drei von sehnsüchtiger Süße und funky Disco geprägten Elektropopplatten ruft uns Album Nummer vier nun den Schlachtruf von Paris im Mai 1968 entgegen: »Soyez réalistes, demandez l’impossible!« Analog zur wachsenden Unzufriedenheit mit einer konsumbesessenen, reaktionären Gesellschaft zettelte der Körper der Mutter von zwei Kindern seine eigene Rebellion an: Eine zweifache Brustkrebserkrankung zwang sie dazu, sich in einen Apparat einzufügen, mit denen sie nichts zu tun haben wollte, und Prozeduren zu unterwerfen, die ihren Alltag als Musikerin vehement durchkreuzten, ja, ihm komplett zuwiderliefen. Die einzige Lösung, aus dieser schweren, hässlichen Last etwas Positives zu ziehen, sei gewesen, die Krankheit zu Musik zu formen – und dabei eine Parallele zwischen einem Körper und einer Gesellschaft in Aufruhr herzustellen, erklärt Wilson. »Watching my bones banging on the drum«, heißt es in »Restless Wind« mit seinen The-Knife-artigen Steel Drums.

So erfand sich Jenny Wilson in der Figur der wütenden, so verrückten wie furchtlosen Straßenphilosophin neu. Auf dem Albumcover ist sie als eine Art postapokalyptische, Sci-Fi-mystische bag lady zu sehen, die à la Allen Ginsberg all das herausskandiert, was nicht mehr unter Verschluss gehalten werden kann und soll. Das klingt natürlich deutlich aggressiver als der melancholische Zuckerpop auf Wilsons Erstling »Love And Youth«, und es sieht auch deutlich aggressiver aus, wenn man das agitatorische Video zu »The Future« mit seiner plakativen Konsumkritik und den Tierrechtlerinnen in Aktion vor Augen hat. Wilson fistelt weniger in ihrem herrlich gequetschten Trademark-Falsett, viele Parts über düsteren Synth-Flächen und dumpfen Drums werden gerappt statt gesungen, und der Gospel-Groove wirkt nun nicht mehr uplifiting und blumig, sondern wie ein wütender Ruf zu den Waffen. Selbst wer am liebsten immer nur neue Varianten des perfekten ersten Albums hören möchte, muss bei aller Nostalgie den Hut ziehen und eingestehen, dass das Leben so wie damals eben nicht mehr ist. Sondern ganz anders weiter geht, mit zuckendem Schmerz, mit in Pop gegossenem Zorn.

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