Garda

Garda

In dem Video zu »Iron«, der ersten Singleauskopplung von »Odds« sieht man sich hilflos wankend durch den Wald irren, wackelig auf den eigenen Beinen. Fast wie in Zeitlupe verschwimmen die dichten Tannen immer wieder. »Oh, it feels like nobody’s home / Yeah it feels like that, when your sorrows leave their hole« singt Sänger Kai Lehmann darüber, während man unter einzelnen Tannenzapfen und Ästen hinweg taucht, trunken aber bedacht um jeden Schritt den man geht. Der Blick zu Boden. Den Blick in den Himmel.

»Iron« bildet auf dem Album den Schluss und thematisiert ihn gleichermaßen indem er mit etwas Abstand auf eine Trennung zurückblickt, nüchtern, für sich alleine und trotzdem musikalisch so dicht, dass es beständig zwischen textlicher Ebene und instrumentaler Vielschichtigkeit hin und her pendelt.

»Odds« bewegt sich neun Songs hindurch zwischen scheinbaren Gegensätzlichkeiten. Der nüchterne Rückblick auf eine gescheiterte Beziehung wird mit einer verletzlichen Emotionalität ausgedrückt, die charakteristisch für Garda ist. Jedes Mal, wenn man denkt, man bekommt einen Song zu fassen, verschwimmt er schon wieder vor Augen. Langsam zäh dahin fließende Momenten werden von einer sich majestätisch aufbäumenden Instrumentalisierung aufgefangen. Immer wieder entwickeln sich die Songs durch ungewöhnlich dichte Soundstrukturen zu orchestralen Gebilden aus Streichern, Bläsern, Vibraphon, Pedal Steel Guitar und Percussion, bevor sie wieder zusammenfallen. Und während man sich beim Hören von Song zu Song bewegt, dringt man immer tiefer und tiefer in den Wald hinein, zwischen gewaltigen Bäumen und Tannen hindurch, so dicht und hoch, dass man kaum den Himmel sieht. Man tastet sich stets behutsam voran, der Blick schwankt zwischen dem moosbedeckten Boden und dem Himmel. Begleitet wird man dabei von Lehmanns Stimme, dessen emotionale Intensität die orchestralen Gebilde immer wieder einstürzen lässt, bis sie selber so zerbrechlich scheint, dass man fürchtet, sie bräche jeden Moment weg.

»Odds« ist nicht nur textlich und musikalisch vielschichtig, sondern auch in Hinblick auf seine Einflüsse. Auch wenn sich Garda mittlerweile von früheren Folk-Zusammenhängen immer mehr emanzipiert, ist noch immer spürbar, dass ein Teil der Band neben Garda in der experimentellen Folkband The Gentle Lurch spielt. Gleichzeitig lebt das Album von eingängigen Pop-Momenten, genauso wie von einer schroffen, rohen Kraft, die sich vor allem live ausdrückt und frühere Emo- und Posthardcore-Bezüge der Band erahnen lässt. Der andere Teil von Garda spielte ursprünglich in der Hardcore-Band Claim. Gerade diese einzigartige Vielschichtigkeit macht Garda zu einer jener
seltenen deutschen Indierock-Bands, für die man eigentlich schon seit dem Vorgängeralbum »A Heart of a Pro« (2012) nur noch international passende Referenzen findet, die es immer wieder schafft, nicht an einer Stelle zu verweilen, sondern – so soll es schließlich idealerweise sein – auch die Grenzen ihrer Kunstform ein Stück weit zu verschieben. (Text: Henrike Schröder)

www.gardamusic.com