Der Herr Polaris

Der Herr Polaris

Geschätzter Leser, Willkommen in der begleitenden Produktinformation zu „Mehr innen als außen“, dem zweiten Album des Herren Polaris, zugleich das erste, welches der Augsburger auf seinem erklärten Lieblingslabel veröffentlichen kann. Womit jetzt also zusammenkam, was offenbar zusammen gehörte. Und das nicht nur, weil Bruno Tenschert, wie der Herr Polaris abseits der Bühne heißt, schon als Musikkonsument das Label und seine Künstler enorm schätzte. Hört man sich Tenscherts Idee von zugänglicher, dabei aber gern auch lustvoll versponnener, mal ätherisch schwebender und dann wieder angriffslustig polternder, allemal stets eigenwillig zu Ende gedachter Musik mit deutschen Texten an, ist es kein kompletter Zufall, dass er gerade jetzt beim Grand Hotel veröffentlicht.

Im Prinzip ist die Sache klar: Mit „Mehr innen als außen“ liefert der Herr Polaris eine Platte voller melancholisch-sehnsüchtiger Kleinode, die man in ihrer klar akzentuierten Schlichtheit und textlichen Genauigkeit sofort aufzunehmen meint, dabei aber nach und nach so viele Subtexte und Nuancen entdeckt, dass man besser gar nicht erst von einer weiteren Indie- oder NeoFolk-Entdeckung zu sprechen beginnt.

Umso mehr freute sich Bruno Tenschert über den Vorschlag, ihn in diesem Begleittext also Liedermacher zu nennen. „Nicht weil ich mich von anderen Songwritern krampfhaft abgrenzen möchte“, sagt er, „sondern weil in dem Singer-/Songwriter-Stempel gleich so viele klangliche und inhaltliche Trademarks mitschwingen, die ich nun gerade zu vermeiden versuche.“ Gilt nicht minder für seine Musik: Sie ist in gleicher Weise schlicht und komplex, einladend und warm, aber ebenso ungewöhnlich und herausfordernd, unkonventionell zu Ende gedacht, aber trotzdem auf den entscheidenden ersten Blick einladend zutraulich. Die meisten Songs von Herrn Polaris kommen mit wenigen Einzelzutaten daher und durchliefen eine ganze Reihe von Stadien. Je nach Song und seinem Thema dürfen im Hintergrund auch gern unterschwellige Klangtexturen ätherisch durch die Räume mäandern oder lustvoll unkontrolliert kurz nach vorne toben – hauptsache, sie verändern nicht das Wesen eines Stücks.

So ist etwa die, für eine solche Platte eher ungewöhnliche, Grundinstriumentierung aus Gitarre, alten Keyboards, dezentem Schlagwerk, Vibraphon und Flügelhorn keine von langer Hand entwickelte Vision einer Klangästhetik, sondern „schlicht die Folge, dass wir eben genau diese Besetzung bei den Proben hatten, als ich anfing, Songs für das neue Album zu schreiben“, erzählt er. Bruno Tenschert betrachtete die Gegebenheiten in aller Ruhe, ergänzte und nahm wieder raus, arrangierte einen Song mal als angriffslustugen Indierocker, dann als zaghaft dahin getupfte Piano-Ballade – um am Ende ein Album zu erreichen, das sehr homogen wirkt, obwohl am Ende jeder Song einen unverwechselbaren Klang-Charakter trägt. Was das Spielen mit Nuancen, Akzenten und ausformulierten Eigenheiten angeht, ist Bruno ein echter Sprachgigant. Der selbst die große Kunst von Verknappung und Verdichtung ausgezeichnet beherrscht.

Zeit für die Entwicklung besaß Tenschert bei diesem Album mehr als ausreichend. Denn der Traum vom Profi-Musiker wurde längst ausgeträumt, zum Ende der Nullerjahre, als sich Tenscherts damalige Formation Die Herren Polaris auflöste. Auch Tenschert fand einen erfüllenden Job, den er auch jetzt noch betreibt, als Streetworker mit Jugendlichen. Die Musik aber ließ ihn nicht los – und wird es, so weiß er inzwischen, auch niemals tun: „Nur durch die Musik gelingt es mir, so viel Freude an meiner Arbeit zu haben, und ohne die Arbeit könnte ich nicht so Musik machen, wie ich das möchte. Diese zwei Welten werden bei mir immer koexistieren, sonst würde ich defintiv eingehen.“

Wechselseitig ist auch seine Musikersituation in Augsburg: Mit ein paar Freunden schuf er sich dort einen Platz für ihre kreative Welten: Das Albert Matong Atelier für Musik, das praktischerweise direkt über dem Studio seines „Geschmackspolizisten und persönlichen Stilberaters“ Michael Kamm liegt. Kamm produzierte schon Tenscherts erstes Solo-Album, „Drehen und Wenden“, und ist ihm bis heute der erste und auch unverblümteste Rückmelder auf alles, was der Herr Polaris so schreibt und tut.

Nun, Ehrlichkeit tut manchmal weh, ist aber unverzichtbar auf einer künstlerischen Reise, die zu einem ganz konkreten Kern vordringen will. Darum geht es dem Herrn Polaris mehr als alles andere, aus diesem Grund macht er weiter mit der Musik: um etwas zu veröffentlichen, das man in Ausgestaltung und seinem ganzen Wesen als etwas erkennt, das Relevanz besitzt und Dringlichkeit atmet.

www.derherrpolaris.de