Bodi Bill

Bodi Bill

Wenn man auf ein und demselben Album Elon Musks SpaceX, den Selbstoptimierungswahnsinn der
Gegenwart und die nächtliche Konfrontation frischgebackener Eltern mit der nie versiegenden Energie
des Neugeborenen unterbekommt, gleichzeitig aber genug Raum für völlig eigene Interpretationen
bleibt, kann es sich nur um das neue Werk von Bodi Bill handeln.

Zehn Jahre nach der letzten Platte “What” weist das Berliner Kollektiv rund um den Sänger und
Produzenten Fabian Fenk endlich wieder “Zurück in die Zukunft”, mit eklektischen Sounds zwischen
Indie-Folk und Electronica und den futuristischen Themen auf “I Love U I Do”.

“Ich bin zu Beginn der Pandemie das erste Mal Vater geworden und hab mich in eine Phantasiewelt
zurückgezogen”, erzählt Fenk. Herausgekommen sind dabei zwölf Songs, die wie Mosaike den
Zustand unserer Welt skizzieren. “How can I be sure?”, singt Fenk etwa in der bereits erschienen
gleichnamigen Single – dieses Suchen durchzieht die neue Arbeit von Bodi Bill, hat es vermutlich
immer schon: der Weg ist das Ziel, die Frage ist die Antwort. Ihr mittlerweile viertes Album will sogar
noch nicht mal eines sein – eher ein Assoziations-Allerlei, ein lautes Denken, eine Playlist, wenn
überhaupt.

Diese Bedeutungsoffenheit schlägt sich schon im Titel nieder: “I Love U I Do” – ist es eine Bestätigung
für das Gegenüber? Für sich selbst? Zeugt der Nachsatz von Sicherheit – oder entlarvt er eben gerade
Unsicherheit? Geht es überhaupt um einen Menschen – oder nicht vielleicht um die Erde? “Ich muss
immer wieder daran arbeiten, nicht den Glauben zu verlieren, dass wir das mit unserer Umwelt noch
hinkriegen”, sagt Fenk. Man spürt diese Beschäftigung in den Songs. “I Love U I Do” ist ein
Soundtrack unserer fluiden, fragmentarischen Welt – das Album zur Gegenwart.

Aber da es sich hier um Bodi Bill handelt, sollte das Ganze nicht etwa staatstragend aufgefasst
werden – seine ganz typische Ironie hat sich das Projekt nach wie vor erhalten. Im Musikvideo zur
Single “Loophole Travelling” etwa steigen Fenk und ein schnurrbärtiger, blondperückter Kompagnon
als zwei Paradiesvögel in bunten Fransenfetzen aus einer Baggerschaufel (ja!), wo sie von einer
exaltierten Social-Media-Süchtigen aufgegabelt und an Leinen durch die Stadt gezerrt werden, um
unter anderem vor einem Plastikdino (ja!) für Handyfotos zu posieren, anschließend in einen Fluss
geschubst und am Ende im Wald lebendig begraben zu werden!

Der gelernte Grafikdesigner Fenk, der neben der Musik auch für alles Visuelle zuständig ist, zeigt
einmal mehr seine unbändige Kreativität. Und so ist alles im Fluss – auch die Zusammenarbeit mit den
Kollegen Anton Feist und Alex Stolze, neben denen diesmal eine Reihe neuer innovativer Köpfe
involviert ist, die Bodi Bill weniger zu einem Trio, als vielmehr zu einer Art Mind Map des Musizierens
macht. Und die vergangenen zehn Jahre waren nicht etwa untätig: Die Bandstruktur öffnete sich etwa
2012, als Fabian Fenk und Anton Feist ihr Duo-Projekt The/Das starteten. Nach dem Debütalbum
„Freezer“ (2014) erschien 2017 „Exit Strategies“, über das der Musikexpress wunderschön schrieb:
„Hauntologische Techno Tenderness für glückliche Stunden im Bett oder an der Schreibmaschine.“ Es
war eine produktive Phase, in der Fenk und Feist beim italienischen Label Life and Death
veröffentlichten und unter anderem das Techno-Duo Tale of Us remixten.
Eine ähnliche Kraft des Kollektivs hört man „I Love U I Do“ an. Die geistreiche Mischung zwischen
Indie, Folk und Elektronik brachte Bodi Bill früher Vergleiche mit The Notwist oder Moderat,
verweigert sich aber in Wahrheit Kategorisierungen, die ohnehin nicht mehr in unsere Zeit passen.
Wie hält man ihn also aus, den Wahnsinn der Gegenwart? “There’s a foul foundation of infinite
madness”, singt Fenk in “Big Gong Sounds”. Der Song beschäftigt sich mit der Frage: Wenn du auf
Sinnsuche gehst, und ich wiederum dich suche – wer kümmert sich dann um unser Baby? Es ist
dieser Zustand im Dazwischen, der Bodi Bill auszeichnet. Mit ihrer neuen Musik lässt es sich darin
aushalten.

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