COMA

COMA

Support: Skull Sized Kingdoms

Die Kölner Elektronik Band COMA verwebt auf ihrem Album Voyage Voyage Ebenen der Erinnerungen in ein vielschichtiges, aber trotzdem auch irre zugängliches Album. Zu lyrisch für den Club, zu subtil für’s Formatradio und zu experimentell für ewig gleich vor sich hin mäandernde Hitsammlungen. Musik, die sich freimacht von Zwängen, von Zeitgeist und genau deshalb eine einzigartige Stellung einnimmt.

Voyage Voyage besticht durch verträumte Leichtigkeit und umarmt gleichzeitig eine melancholische Grundstimmung. Die beiden Produzenten Georg Conrad und Marius Bubat lassen sich zunächst nicht in die Karten schauen: “Wir haben diesmal einfach nur das gemacht, worauf wir Lust hatten”, erzählen COMA. Aber man kommt beim Hören nicht umhin zu denken, dass hinter den zwingend tollen Melodien und Texten mehr steckt als reine Losgelöstheit und die ja gerade so grassierende Sehnsucht nach Eskapismus, die sich mit dem Einheitsgedudel der Retro-Disco, Neo-80s-Revival und der nächsten aufbrausenden Nostalgiewelle den Weg ebnet. 2019 ist eben gar nichts losgelöst, auch elektronische Musik nicht.

So beschreibt es auch Marius Bubat: „Das Album ist in einer Phase entstanden ist, die in vielerlei Hinsicht herausfordernd für uns beide war. Ich glaube und hoffe, das hört man dem Album auch an. Es muss eben nicht heißen, dass man in solchen Phasen ein trauriges Album macht, so etwas kann auch subtil mitschwingen, als Stimmung, als Text, eben hintergründig. Und möglicherweise entfaltet diese subtile Melancholie dann umso schöner ihre Wirkung.“

COMA haben tatsächlich etwas sehr Seltenes geschafft: sie haben ein Album geschrieben, das ein authentisches Gefühl von Nähe, Wärme und, ja, auch Emotionalität ausstrahlt. Und das in einer Zeit, in der Marketing komplett durchemotionalisiert ist und alles mit künstlicher Bedeutungsschwere aufgeladen ist, Gefühle und Musik an sich nur noch als Marketing-Tool gesehen werden.

„Wir haben auf dieses Album alles gebannt, was uns seit 20 Jahren begleitet hat”, erzählt Marius Bubat. “Es hatten sich viele Ideen angesammelt”, ergänzt Conrad. Und genauso klingt Voyage Voyage: voller spannender Sound Ideen – es zischt und rauscht und hallt und klappert – und ruht doch entspannt in sich und vor allem aber jagt es nicht irgendeinem flüchtigen Moment hinterher, dieses Album steht ganz für sich. Für COMAs leicht entrückten Pop voller Möglichkeiten.

COMA sind typische Kinder der aufregenden Nullerjahre, Marius und Georg wurden musikalisch aufgezogen mit 80er-Jahre Zuckerwatte, haben dann in zerrissenen Jeans und Indie-Rock der 90er die Adoleszenz durchlebt, wurden erst von den Prinzen der Kölner Clubwelt wachgeküsst, erspielten sich mit diversen EPs und zwei Alben auf Kompakt viel internationales Lob und Anerkennung. Der britische Guardian attestierte ihnen begeistert “playfulness, prettiness and the kind of intense pleasure that results from perfectly interwoven melodies“.

Es ist genau diese vielgelobte unkonventionelle und spielerische Herangehensweise, die sie wohl auch dazu inspirierte, selbst noch während einer Clubnacht im Berghain ihre Gitarre auszupacken. Es liegt also alles in ihrer DNA, doch noch nie waren COMA-Tracks so persönlich und von Vocals und Texten geprägt.

Bubats und Conrads Geschichten begleiten den Hörer durch das Album, die menschliche Stimme rückt mal in den Vordergrund, wie zum Beispiel auf A-Train, ein geradezu perfekter Popsong mit treibenden Drums, zurückgenommenen Gitarren und großen Synth-Momenten. Ebenso auf dem epischen Bits & Pieces, das ganz und gar keine Angst vor den richtig großen Momenten hat. Dann wieder, wie zum Beispiel auf Minor Matters, ist die Stimme wieder ein Instrument unter vielen. Apropos Instrumente: Auf diesem Album ist auch zum ersten Mal ein Live-Schlagzeug zu hören. Niklas Schneider gab dem Album einen organischen, warmen Klang und eine Komplexität, die mit programmierten Beats nicht möglich wäre. “Wir haben das Album live gedacht”, sagen Conrad und Bubat, als Musik, die mit einer ganzen Band gespielt werden will – wie auf der kommenden Tour.

Letztendlich stellt Voyage Voyage keinen Bruch in der Biographie von COMA dar, sondern nur die logische Weiterentwicklung. Es ist keine Geschichte von radikalem Wandel, sondern ein Zurück-zu-den-Wurzeln, ein Statement gegen zeitgeistige Belanglosigkeit und für das eigene Bauchgefühl. Und vor allem für die idealistische Freude an der Musik.

COMA sind Marius Bubat und Georg Conrad – Voyage Voyage erschien im vergangenen November auf City Slang.

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